Home | Impressum  
Prolog

3. Kapitel - Feierabend

Mit klopfendem Herzen und vom schnellen Laufen völlig außer Atem sprang Chepp an der Fahrstuhltür vorbei in das Innere hinein. Kraa, der bereits im Fahrstuhl stand, war gerade im Begriff diese zu zuziehen.

Chepp lehnte sich an Wand, die aus Gitterstäben bestand und holte tief Luft. Kraa schloss die Tür und zog dann an der Leine für Abwärts. Mit einem Ruck sowie ratternden und quietschenden Geräuschen bewegte sich der Fahrstuhl langsam nach unten. Dieser bestand aus dicken grob verzierten Gittern und ergab einen Eisenkäfig. Auf der gegenüberliegenden Seite zur Tür gab es noch solch eine.
„Hast Du schon gehört?“, sagte Kraa in einem fast flüsternden Ton.
„Es gibt Gerüchte über einen Weltenwechsler.“
Chepp´s Herz blieb vor Schreck beinahe stehen und er hielt die Luft an. Wie konnte Kraa bereits davon wissen?
„Ein Weltenwechsler? Wirklich? Woher weißt Du das?“ fragte er in einem fast schon stotternden Ton.
„Nun, ein Freund sah ihn angeblich heute. Er sagte es mir erst vor ein paar Minuten. Der Weltenwechsler soll sich hier in diesem Stockwerk aufgehalten haben. Er ist sich zwar nicht wirklich sicher, aber es muss ein Mensch gewesen sein. Er sah ihn jedenfalls mit eigenen Augen, so sagte er. Hast Du denn heute nichts Ungewöhnliches gesehen?“

Chepp durchlief ein kalter Schauer. Wenn jetzt schon dieses Gerücht die Runde machte, welches nun schon fast wie gar keines mehr klang, dann würde es nicht lange dauern, bis es auch in Ecken vordrang, in die es lieber nicht sollte.
„Wenn es wirklich ein Weltenwechlser war, dann ist vielleicht die Zeit gekommen“, fuhr Kraa fort.
„Vielleicht wird sich nun bald etwas ändern. Vielleicht stimmen ja all die Geschichten aus der alten Zeit über die Weltenwechsler. Vielleicht ist er hier, um die Dinge zu ändern.“

„Ja, vielleicht...“, gab Chepp, der in Gedanken versunken war, zurück. Es war lange her, dass ein Weltenwechsler angeblich ihre Welt betreten hatte. Niemand mehr wusste genau, wann dies zuletzt geschehen war. Er selber lebte zwar schon lange sein Leben, aber auch er kannte nur die Geschichten. Alte Geschichten und Mythen aus den Überlieferungen seiner Vorfahren. Es hieß, dass es nur ganz selten ein Mensch schaffte, einen Weg in ihre Welt zu finden und auch nur dann, wenn dieser von ganz spezieller Art sei. Doch wirklich viel darüber wissen oder gar einen gesehen, das hatte von ihnen noch keiner. Seine Urgroßmutter hatte ihm als Kind Geschichten darüber erzählt, doch es war zu lange her. An Details konnte er sich kaum noch erinnern. Er wusste nur, dass es sie geben musste, doch er hätte nie erwartet, selber mal einem zu begegnen, und alle Zeichen standen dafür, dass Nicklas ein Weltenwechsler war. Deshalb hatte er ihn auch so schnell wie möglich versteckt, bevor die falschen Mächte von ihm Kenntnis nahmen.
Der Fahrstuhl hielt mit einem lauten Rumpeln im Erdgeschoss und Kraa zog die Tür der gegenüberliegenden Seite auf.
„Dann wollen wir mal. Oh, wie ich diese Kontrollen hasse“, gab er in einem grummelnden Ton von sich.
Vor dem Fahrstuhl erstrecke sich eine Art Tunnel. Dieser bestand links und rechts aus einer Absperrung, die mit hohen Metallgittern, ähnlich denen im Fahrstuhl, markiert wurden. Diese waren allerdings als solche kaum noch zu erkennen, da sich um die Streben dornige Pflanzen wickelten. Sie umschlungen die Metallstreben und bahnten sich ihren Weg immer weiter nach oben. Dort reckten sie sich zur Mitte und bildeten eine Wölbung. Das feine Geflecht aus dem Grünzeug war an den Zäunen und darüber teils so dicht, dass das Licht gespenstisch durch die kleinen, freien Stellen leuchtete. Etwa 10 bis 15 Meter war dieser Gang lang, der mit seinem tunnelhaften Wesen irgendwie beklemmend wirkte. Die Luft war schwül und roch nach Grün und den Blüten, die sich am oberen Ende dem Licht entgegenstreckten und dort zahlreich zu sehen waren. Es waren Rosen. Bläuliche Rosen.

Das Ende des Ganges konnte man gut erkennen, denn das Tageslicht, das ihn markierte, leuchtete hell in ihn hinein. Die Beiden gingen diesem Ende stumm und mit ruhigen Schritten immer weiter entgegen. Sie wussten was nun kam und man merkte ihnen die Anspannung förmlich an. Vor dem Eingang standen zwei unheimlich wirkende, schwarze Gestalten. Sie hatten die Form einer menschenähnlichen Silhouette, die seltsame, unheimliche und befremdliche Züge aufwies. Die Wesen, komplett in schwarz getaucht, waren so dunkel wie die Tiefen des Alls. Keine Gesichter, keine Kleidung, keine Haare. Nur die Form eines menschenähnlichen Wesens, mehr nicht. Das Schwarz, das sie umgab, schien lebendig zu sein und wickelte die Wesen mit rauchähnlichen Schlieren, die wie Nebel über ihren Körper wanderten, ein. Dieser Nebel oder Rauch war stetig in Bewegung. Es war ein angsterregendes Bild, denn es wirkte unheimlich, kalt und seelenlos.
Neben einer der Kreaturen stand eine mit Eisenbeschlägen versehene Truhe. Die andere Kreatur saß an einem massiven Holztisch. Auf diesem war eine Schriftrolle ausgebreitet. Daneben stand ein Tintenfass mit Federkiel und eine aufgeklappte Taschenuhr aus glänzendem Metall.

Kraa und Chepp gingen auf den Kontrollpunkt immer näher zu und blieben schließlich vor dem Tisch stehen.
„Name?“ hauchte die Kreatur mit einer Stimme, die sich rau und kratzig anhörte. Sie klang unheimlich, ging durch Mark und Knochen und man hatte das Gefühl, von ihr ginge eine unbeschreibbare Kälte aus.
„Kraa bin ich, und hier neben mir, dies ist der werte Chepp“, gab Kraa in einem unterkühlten Ton von sich.

Die Gestalt starrte auf die Schriftrolle. Es musste ein Starren sein, auch wenn man es nicht genau sagen konnte, da die Kreatur keine Augen zu haben schien. Kraa und Chepp standen ruhig aber angespannt da und warteten. So wie Kraa kannte auch Chepp diese Prozedur, doch daran gewöhnen konnte er sich nicht. Das Unbehagen, welches er dabei in seiner Magengegend spürte, war jedes Mal einfach zu groß. Die Kreatur nahm den Federkiel und schrieb auf die Schriftrolle. Kurz darauf hörte man eine Art Röcheln in Richtung des anderen Wesens.

„Eurer Tagewerk?“ hauchte die andere Gestalt mit ebenso furchterregender Stimme und streckte die knochige Hand aus. Kraa und Chepp nahmen jeweils einen der Lederbeutel von ihrem Gürtel und legten ihn der Kreatur in die Hand. Diese öffnete die Truhe mit einem ächzenden Geräusch und legte die Beutel hinein. In dieser lagen schon andere und der Stauraum war bereits bis zur Hälfte gefüllt. „Ihr dürft passieren“, hörten sie die Kreatur sagen, nachdem diese die Truhe wieder geschlossen hatte.

Mit ruhigen Schritten und ohne einen Ton von sich zu geben, gingen die Beiden an den Wesen vorbei. Nach einigen Metern, außerhalb der Reichweite zu den Wesen, atmeten sie erst einmal tief durch.

„Hab ich schon erwähnt, dass ich diese Kontrollen hasse?“ grummelte Kraa leise vor sich hin.
„Ich mag es auch nicht. Aber was sollen wir tun? Wir müssen tun, was man uns sagt“, gab Chepp mit einem großen Seufzer von sich.
„Vielleicht wird es sich ja irgendwann einmal wieder ändern. Vielleicht bekommen wir irgendwann unser altes Leben zurück“, fuhr Chepp fort, und in Gedanken dachte er an Nicklas. Wenn Nicklas ein Weltenwechlser war, wenn vielleicht sogar all die Geschichten über diese stimmten, vielleicht gab es dann eine Chance, dass sich alles wieder zum Guten wendete.

Kraa und Chepp entfernten sich immer weiter vom Kontrollpunkt und mit jedem Schritt verflog ihre Anspannung. Hinter ihnen erstreckte sich die riesige Wand mit all den Türen und weder nach oben, noch nach links oder rechts schien diese je ein Ende zu nehmen. Kontrollpunkte wie diesen gab es in regelmäßigen Abständen an jedem der Ausgänge. Vor ihnen erstreckte sich eine breite, steinerne Straße, die sie überqueren mussten, um zum Stadtrand zu gelangen. Sie bestand aus unendlich vielen mattgrauen, glatten und gleich hohen Steinen. Ihre Größen und Formen variierten, und so gab es kein sich wiederholendes Muster. In der Mitte der Straße mussten sie Bahnschienen überqueren. Dafür war eigens ein Übergang per Erhöhung geschaffen worden. Die Schienen verliefen parallel zum Stadtrand nach links und rechts. Ab und an gab es Abzweigungen, die in das Innere der Stadt führten. Sie überquerten den Übergang und hielten sich dann links, wo es eine Art Haltestelle zu geben schien. Dort warteten bereits drei andere Erschaffer vor einem Aushang. Auf der Straße dahinter konnte man reges Treiben beobachten.
„Gehen wir noch ins Nightshift auf ein Bier?“ frage Kraa. Chepp überlegte kurz, willigte aber dann ein. Ein Bier kann jetzt nicht schaden. Dabei sich kurz sammeln und dann überlegen, wie es weitergehen soll, ging es ihm durch den Kopf. In diesem Moment hörte man aus der Ferne ein Schnaufen. Alle drehten instinktiv den Kopf nach links und dort sah man mit großer Dampfwolke eine Art Zug näher kommen. Der Kopf war ein eigenartiges Gebilde. Spitz zulaufend entsprangen aus der Mitte Rohre, die sich über den Kessel wölbten, um dann nach oben abzubiegen. Dort ergaben die drei Enden eine Linie. Der Kessel, über dem sie befestigt waren, glänzte kupfern und war mit großen Nieten verziert. Weitere kleinere Rohre schmiegten sich an diesen und verzierten ihn somit. Hinter dem Kessel erstreckte sich ein flaches Führerhaus, und dahinter erstreckte sich noch ein Kessel. Dieser war von eher plumper Natur, dafür aber nur ein Drittel so lang. Der Zug fuhr ein und mit quietschenden und zischenden Geräuschen hielt er an. Kraa und Chepp stiegen zusammen mit den anderen auf einen der zwei Wagons hinter der Lock. Diese waren offen und hatten kein Verdeck, doch dies war auch schon der einzige Unterschied zu einem normalen Wagon.

Sie setzten sich etwas abseits und machten es sich bequem. Ein Pfeifen und ein Ruck, dann setzte sich der Zug in Bewegung. Zur ihrer Linken konnten sie die große Wand mit all den Türen vorbeifahren sehen, auf ihrer Rechten war es die Stadt mit ihren mittelalterlich anmutenden Häusern und Gassen. Versunken in Gedanken dachte Chepp an Nicklas. Er machte sich schon ein wenig Sorgen. Denn auch wenn er vorerst in Sicherheit war, so garantierte dies nicht, dass es auf Dauer auch so blieb. Ihm blieb ja keine andere Wahl. Es war die einzige und logische Lösung ihn dort zu verstecken. Er beruhigte sich mit diesen Gedanken und als er wieder zu sich kam, bemerkte er wie der Zug langsamer wurde. Sie waren ihrem Ziel nahe.

Nachdem der Zug zum Stehen gekommen war, stiegen sie aus. Wie auch zuvor war dies eine Haltestelle mit einem Anschlag. Auf diesem war ein Plakat angebracht mit der Überschrift „ACHTUNG“. Darunter befand sich die Silhouette eines Kopfes mit einem Fragezeichen darin. „Jeder Bewohner Agorás ist aufgefordert, unverzüglich Hinweise oder Informationen zur Identität von Aufrührern und Widerständlern preiszugeben. Nichtpreisgabe wird nicht toleriert und hart bestraft“, stand in großen Buchstaben darunter. Chepp und Kraa kannte diese Art von Hinweisen schon zu Genüge und beachteten diese mit keiner Aufmerksamkeit. Sie schritten auf den Stadtrand zu und bogen dann in eine Gasse ab. Die Gasse war nicht sonderlich breit, aber klein und eng war sie auch nicht unbedingt. Nach ein paar Metern sah man über einem Eingang ein großes, beleuchtetes Holzschild hängen. Auf diesem sah man eine Stadt und über ihr ein gläsernes Kuppeldach, durch das die Sterne zu sehen waren. „Nightshift“ stand in großen Lettern darüber. Kraa zog die massive Holztür auf. Lärm und ein Schwall warme, nach Tabak riechende Luft kam ihnen entgegen. „Na dann woll´n wir mal. Das haben wir uns verdient“, sagte Kraa und lächelte Chepp dabei an.
 

Prolog

 
Letzte Änderung: 18.08.2010 - 19:37:32

   
Kommentar schreiben
Name: *
eMail:
Homepage:
Text: *

Visuelle Bestätigung: =>

Seiten (0):


Es wurden noch keine Kommentare abgegeben!